Young Carers

Grafik zwei Personen mit einem Rollstuhl

Alltag für junge Pflegende

In England werden sie „Young Carers“ genannt, in Deutschland ist man sich über den Begriff noch nicht einig. Kinder und Jugendliche, die sich um kranke Familienmitglieder kümmern, nennt man bis jetzt in Deutschland meistens „Kinder und Jugendliche mit Pflegeverantwortung“. Aber was genau bedeutet das? Klären wir doch mal gemeinsam ein paar Dinge:

1. Was bedeutet denn nun eigentlich „Pflegeverant-wortung“ und wann bin ich ein „Young Carer“?

„Pflegeverantwortung“ hört sich erstmal „groß“ an, ist aber ganz einfach erklärt: Du hast zuhause ein krankes Familienmitglied, das du unterstützt. Hier ist nicht nur die Körperpflege gemeint. Kann sein, muss aber nicht.

In Deutschland möchte man besser verstehen, was Kinder und Jugendliche mit kranken Angehörigen brauchen. An der Universität Witten/Herdecke beschäftigt sich die Forscherin Sabine Metzing seit mehr als 10 Jahren mit „Young Carers“. Sie beschreibt „Young Carers“ so:
Pflegende Kinder und Jugendliche sind Minderjährige, also Personen unter 18 Jahren, die regelmäßig kranken Familienmitgliedern helfen oder diese pflegen. Ihre Tätigkeiten umfassen z. B. Hilfe bei der Körperpflege, im Haushalt, bei der Betreuung jüngerer Geschwister sowie emotionale Unterstützung (gemeint ist hier z. B. Zuhören oder Trösten).
Einige Kinder und Jugendliche sind für die Rund-um-die-Uhr-Betreuung von Angehörigen alleinverantwortlich.

2. Okay, vieles kommt mir bekannt vor, aber ich kenne niemanden, dem es so geht wie mir.

Erst einmal ist es wichtig, dass du weißt, dass es viele Menschen gibt, die sich mit „Young Carers“, also Kindern und Jugendlichen „mit Pflegeverantwortung“, beschäftigen.
Diese Menschen haben festgestellt, dass es zahlreiche Kinder und Jugendliche in Deutschland gibt, denen es so ähnlich geht wie dir. Inzwischen geht man davon aus, dass es ungefähr 1-2 Kinder pro Schulklasse sind.

In anderen Ländern gibt es einige Gruppen von „Young Carers“, die sich treffen, austauschen und eine gute Zeit zusammen verbringen. Hier in Deutschland gibt es vereinzelt schon Treffen für „Young Carers“. Im Sommer 2018 gab es in Berlin auch ein „Mini-Festival für junge Pflegende“. Das ist doch schon mal eine gute Sache.
Vielleicht bekommst du ja Lust zu schauen, wo es „Gleichgesinnte“ gibt. Vielleicht ist es ja sogar möglich, sich untereinander zu treffen.

3. Ich traue mich nicht so recht das auszudrücken, aber ich brauche Hilfe und möchte in jedem Fall in meinem vertrauten Umfeld bleiben. Was kann ich machen?

Deine Sorge ist gut zu verstehen! Oft ist die Sorge da, aus dem vertrauten Umfeld herausgehen zu müssen. Es gibt aber viele Menschen, die um deine Sorge wissen. Du brauchst dein vertrautes Umfeld und es helfen oft schon kleine Dinge, damit es dir bessergeht!
Wenn du dich hier genauer umschaust, findest du viele Tipps, was du machen kannst, damit du Entlastung bekommst.
Wir haben auch noch mehr Adressen mit hilfreichen Tipps und Anlaufstellen für dich gesammelt. Und natürlich kannst du das „Young Helping Hands“-Team jederzeit anschreiben. Wir unterliegen der Schweigepflicht. Das heißt, wenn du mit uns schreibst oder sprichst, dürfen wir das nicht weitererzählen!

* Übrigens: Wenn du mehr über die Forschung über „Young Carers“ in Deutschland wissen möchtest, findest du hier noch weitere Informationen:
In der Altersgruppe der 10-19-Jährigen übernehmen etwa 5-6 Prozent pflegerische Tätigkeiten. Das sind ungefähr 480.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland, also pro Schulklasse 1-2 Kinder, die zuhause kranke Angehörige haben, um die sie sich kümmern.

Metzing, Sabine et al. (2017): Abschlussbericht zum Projekt „Die Situation von Kindern und Jugendlichen als pflegende Angehörige“. Witten: Universität Witten/Herdecke, Department für Pflegewissenschaften, S. 8.

Grafik Person mit Hund

Was kann ich selbst tun?

Hier findest du ein paar Tipps, wie du auf dich aufpassen und was du selbst machen kannst. Außerdem findest du Tipps, was andere machen können, Adressen für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die Eltern oder andere Angehörige pflegen sowie Ratgeber und Anlaufstellen.

Folgen für junge Menschen mit Pflegeverantwortung verringern! So kann es gelingen:

Schritt 1: Sensibilisieren

Öffentlich sensibilisieren, um lebenslange Folgen für die Betroffenen zu bekämpfen!

Pflegende Kinder und Jugendliche sollen in Zukunft besser und schneller verstehen, dass sie „Young Carers“ sind. Dazu gehört endlich die Klärung eines einheitlichen Begriffes. In England ist man hier schon weiter und hat damit bessere Möglichkeiten, Kinder und Jugendliche zu erreichen. Ein langfristiges Ziel sollte auch in Deutschland die schnelle Identifikation von „Young Carers“ sein.

Zur weiteren Sensibilisierung ist eine Zusammenarbeit mit anderen öffentlichen Einrichtungen (z. B.  Schule, Jugendtreffs) notwendig. Neben Schulen, Einrichtungen der Jugendarbeit und -hilfe und Behörden sollten unter anderem auch Kinder- und Jugendpsychiatrien, ambulante Pflegedienste oder Arztpraxen bedacht werden. 

Schritt 2: Erkennen

Kinder und Jugendliche, die ihre kranken Angehörigen pflegen, erkennen!

Um Kindern und Jugendliche mit Pflegeverantwortung zu identifizieren, ist es hilfreich, sich mit folgenden Fragen auseinanderzusetzen: Was und wer sind junge Menschen mit Pflegeverantwortung? Was bedeutet es, als Kind oder junger Mensch zu pflegen? Welche Bedürfnisse bringen diese „Young Carers“ mit? Welche Aufgaben übernehmen sie und wie groß ist der Zeitaufwand, den sie für die Pflege erbringen?

Schritt 3: Handeln

Als Außenstehende*r und stille*r Beobachter*in darf ich handeln und aktiv werden!

Hilfestellung bieten, wenn erwünscht und zugelassen.
Wichtige Regel hierfür: Das „Einfachste“ ist häufig das Beste. Gemeint ist hiermit, dass oftmals kleine, „alltagsübliche“ Tätigkeiten ausreichen, die trotzdem Abwechslung zum Pflegealltag für die Kinder und Jugendlichen bieten (z. B. ein Schwimmbadbesuch). 

Konzept zur Vermeidung lebenslanger Folgen für Young Carers
von Julika Stich, 2017

Grafik Person mit Puzzleteil

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